In letzter Zeit beschäftigt mich stark die Frage danach wie wir uns bewegen und wie das ganze auch dazu beiträgt wie wir wahrgenommen werden und vor allem wie wir uns selbst fühlen und wahrnehmen. Im Tanz und besonders im sozialen Paartanzbereich wie der Salsa werden wir ständig damit konfrontiert. Wahrnehmung ist ein großes Wort und wir sind ihr ständig ausgesetzt, dadurch das wir sehr nah mit unserem Partner oder unsere Tanzpartnerin konfrontiert werden.
Wir werten unser Gegenüber keinesfalls nur an seinen technischen Fähigkeiten. Tanz ist eine nonverbale Kommunikationsebene, es ist eine Sprache über die wir in jeder Sekunde kommunizieren. Wir kommunizieren mit dem Partner, mit dem der uns zufällig aus der Ecke sieht und wir interagieren mit den selben Personen, mit dem der neben uns tanzt, mit der Musik. All das geschieht im größten Sinne unbewusst.
Ich habe mich lange Zeit gefragt warum es immer wieder zu sehen ist das viele Schüler sich voller Scham bewegen. Die Schultern fallen ein, der Kopf und Blick ist nach unten gerichtet, oft lehnt auch die Wange leicht Richtung Schulter, viele Männer insbesondere fühlen Druck wenn sie in eine Tanzsituation stecken und ihnen jetzt etwas einfallen muss was sie führen sollen. Bis zu dem Punkt, dass sie sich ungern schon nach wenigen Stunden in eine reale Tanzsituation begeben. Sie haben das Gefühl:
„Ich weiß nicht was ich tun soll“
“ Ich weiß nicht wie ich mich verhalten soll“
„Ich gehöre hier nicht hin“
Es scheint eine schwer überwindbare Hürde zu sein diese Gefühle zu überwinden, denn sie sitzen tief und der Zugang zu ihrer Überwindung scheint schwer. Nun, ich selbst bin jeden Tag immer wieder konfrontiert mit diesen Hürden, als Tänzer, und vor allem wenn das Tanzen einen dominanten Platz einnimmt im Leben, hat man keine andere Wahl sich diesen Dingen auf irgendeine Weise zu stellen. Man könnte nun vermuten es gäbe eben Menschen die eher offen sind und welche die eher verschlossen sind. Ich glaube daran nicht! Aber eins ist sicher und eine alte Weisheit:
Der Körper lügt nicht
Ja, es ist wahr, der Körper verrät oft mehr über uns als wir irgendwie fähig wären mit Worten auszudrücken. Manchmal verstehen wir nicht einmal warum unser Körper immer wieder zu einer bestimmten Haltung zurück kehrt obwohl der Lehrer uns vielleicht bereits sehr oft darauf aufmerksam gemacht hat diese zu korrigieren. Die Reaktion nach einer erneuten Korrektur der gleichen Sache erlebe ich immer gleich. Zunächst ein Lächeln, denn eigentlich weiß man es ja, und kann kaum glauben das man in die alte Gewohnheit zurück gekehrt ist obwohl man doch für plausibel hält es nicht zu tun.
Es gibt keinen Zweifel daran das eine veränderte Haltung auch verantwortlich ist dafür wie unser Gefühl ist. Bin ich jemand der eher die Gewohnheit hat eingefallen zu stehen und auch zu tanzen, wird es sich für mich seltsam, vielleicht sogar unangenehm anfühlen diese Haltung in eine offene Haltung zu korrigieren was mich dann schließlich in meine alte Gewohnheit zurück kehren lässt. Da wirft sich die Frage auf warum das so ist.
Mein Platz
Tanzen bedeutet Platz einnehmen. Tanzen bedeutet den Raum durch den Körper zu definieren. Ich möchte jetzt mal die These aufstellen ,dass das einigen von uns nicht immer leicht fällt, dementsprechend reagieren wir auch darauf wenn andere dies offensichtlich tun und es als leicht empfinden. Ein kleines Beispiel. Wir betreten die U-Bahn, eine Person sitzt bequem mit offener Haltung auf einem der Sitze, eins seiner Beine über das andere geschlagen so das er den Sitz neben sich teilweise blockiert auf dem anderen Sitz neben ihm ruhen eine Tasche und eine Tüte vom Einkaufen. Viele von uns würden dies nun zunächst als rücksichtslos bewerten. Kommen wir jedoch näher und die Person reduziert zu unseren Gunsten ihren Platz, nehmen wir unsere Bewertung sofort innerlich zurück. So entsteht der Eindruck sich kleiner zu machen wäre rücksichtsvoller und wäre auf sozialer Ebene für uns vorteilhafter. Und es scheint wahr zu sein, dass das Ideal keines Wegs ist seinen Platz auf Kosten anderer einzunehmen sondern sich solange Platz zu nehmen wie kein anderer seinen Anspruch darauf geltend macht. Das bedeutet aber nicht das ich nicht auch Platz einnehmen darf der zur Verfügung steht.
Dieses alltägliche Beispiel lässt sich einfach auch auf das Tanzen übertragen. Es gibt mehrere Räume beim Salsa tanzen die unterschiedliches Verhalten verlangen.
Der persönliche Raum und der Raum zum Partner – öffnen und schließen
Tanzen ist Geben. Wir wollen Räume öffnen, den Raum zum Partner, den Raum zum Zuschauer. Wenn ein Tänzer eine zusammen gekrümmte Haltung einnimmt, ist der Raum zunächst geschlossen, jeder Raum. Durch eine Veränderung der Körperhaltung entsteht eine Öffnung. Der Körper öffnet sich, die Schultern kommen zurück, die Arme werden dadurch frei beweglich und man empfindet einen Bezug zu seiner eigenen Mitte. Empfindet man einen Bezug zu seiner Mitte, empfindet man auch automatisch einen Bezug zur Mitte des Partners, was eine Bedingung ist für korrektes Führen und Folgen in der Salsa und generell allen Paartänzen. Ist man sich dessen bewusst, verändert das auch den Bezug zum Raum und öffnet auch die Ausstrahlung nach außen und steigert das Selbstbewusstsein.
Der Raum der Anderen
Dennoch ist es wichtig den Raum der Anderen Tänzer auf eine Party oder im Unterricht nicht zu beeinträchtigen. Das bedeutet jedoch nicht sich soweit zurück zu ziehen das dann auch der raum zum Partner völlig geschlossen wird. Rücksicht ja, völliger Rückzug nein. Gar nicht so leicht scheint es dies zu differenzieren. Klar ist jedoch das eine aufrechte Haltung dazu führt alle Räume die für uns beim Tanzen wichtig sind klar wahrzunehmen.
Die Frage ist nun: Wie schaffe ich meinen persönlichen Raum zu öffnen?
Wie gesagt beobachte ich immer wieder das es vielen schwer fällt genau das umzusetzen. Das ist klar, denn Gewohnheiten zu verlassen ist schwer, jeder weiß das, der sich schon mal vorgenommen hat regelmäßig joggen zu gehen oder Ähnliches. Nun, man könnte auch denken man müsste zunächst innere Muster überwinden um dann die körperlichen Muster ablegen zu können. Ja, ganz falsch ist das nicht, denn in der Tat ist das einer der möglichen Wege aber nicht der Einzige.
Ich glaube daran das der Körper selbst unser Denken und unsere Gefühle steuern kann und da bin ich nicht die einzige. Die Sozialpsychologin Amy Cuddy, Dozentin an der Harvard Business School, hat sich lange mit diesem Thema beschäftigt inwiefern sich unsere Körperhaltung auf unsere Gefühle niederschlägt. In einer ihrer Experimente untersuchte sie inwiefern das Einnehmen einer veränderten Körperhaltung für einen veränderten Hormonspiegel verantwortlich ist. Sie fand heraus, das sich eine nur zwei minütige Veränderung der Haltung bereits auf unsere messbaren Gefühle auswirkt. Um etwas konkreter zu werden: Nach zwei Minuten stieg der Testosteron Wert um 10% und der Cortisolwert fiel um 10%. Nur zur Erklärung, Testosteron ist verantwortlich für ein Gefühl das wir mit Macht und Selbstvertrauen verbinden und Cortisol wird auch das Stresshormon genannt. Mit anderen Worten, nur durch die Veränderung der Körperhaltung konnte nachweislich eine Gefühlsveränderung bemerkt werden.
Versuchspersonen waren nach diesen Experimenten selbstbewusster im Auftreten gegenüber anderen Personen und in Stresssituationen wie zum Beispiel einem Vorstellungsgespräch konnten sie sich klaren ausdrücken. Ihre komplette nonverbale Kommunikation hatte sich verändert. Ist das nicht erstaunlich? Diese Studie hat mich an ein Peanuts Comic erinnert aus den 1960er Jahren:
Kommen wir jetzt zum Kern – Fake it until you become it!
Das hört sich jetzt erst einmal betrügerisch an. Denn so zu tun ist nicht das was unser Ziel ist. Das soll es auch nicht werden. Es soll ein tool sein um dauerhafte Veränderung zu schaffen. Der Körper ist in der Lage alles zu verändern, der Tanz kann das. Ich selbst bin ein gutes Beispiel, ich wäre nicht die gleiche Person die ich heute bin ohne das Tanzen. Der Tanz hat zunächst mit meinem Körper gearbeitet aber hat dadurch auch mein Verhalten verändert, so das ich nun schließlich der sein kann der ich wirklich bin und auch in der Lage bin das weitgehend über meinen Körper auszudrücken.
Give it a try!
Eine selbstbewusste Haltung einnehmen, auch wenn man sich nicht selbstbewusst fühlt ist der erste Schritt. Dein Körper findet einen neuen Rhythmus in einem geöffneten Raum und Du wirst schon bald in der Lage sein, nach einiger Zeit der Übung, das Gefühl voran zu stellen. Tu das solange bis sich das in Deinem innersten internalisiert hat. Das ist das unglaublichste was Du je erleben wirst, denn plötzlich wirst Du keine Grenzen mehr sehen. Deine Augen werden sich öffnen und Du wirst in der Lage sein Dinge zu tun die Du vorher nicht für möglich gehalten hast beim Tanzen und auch in anderen Situationen. Der Tanz ist so ein wunderbarer Ort diese Dinge zu entdecken. Um Amy Cuddy zu zitieren deren Reden für mich immer wieder eine große Inspiration sind:
Kleine Modifikationen können zu großen Veränderungen führen
Give it a try and fake it until you become it!